Der junge Mann, dessen Rücken wir im Bild sehen ist 17 Jahre alt. Er ist Deutscher Jugendmeister in der 4x400 Meter Staffel und im Speerwurf. Ein austrainierter Leistungssportler. Und deswegen sehr heftig umworben bei der Musterung der Reserveoffiziersbewerber. Für ihn interessiert sich der General der Waffen-SS (links) und der Oberst der Gebirgsjäger (rechts). Ich bin froh, daß sich der junge Mann für die Offizierslaufbahn bei den Gebirgsjägern entschieden hat.
Bilder einer verführten und verratenen GenerationDer junge Mann ist mein Vater. Es ist das Jahr 1944 und es ist Krieg. Und Reserveoffiziere werden an der Front kämpfen. Sie haben vorzeitig das "Not-Abitur" gemacht (um die Laufbahn-Voraussetzungen zu erfüllen) und sie werden eine "Schnell-Bleiche" von 6 Wochen erfahren, zu Fähnrichen befördert werden und als Zugführer in den Einsatz gehen.
Mit seiner Entscheidung für die Gebirgsjäger ist meinem Vater zwar nicht der Kampfeinsatz erspart geblieben, aber wahrscheinlich der Einsatz in der
Normandie. Denn sein Klassenkamerad rechts im Bild erlebte den D-Day und wurde schwer verwundet. Womit er sozusagen noch "Glück" hatte, denn er hat es überlebt.
Mein Vater geriet nach schweren Gefechten, bei denen er auch verwundet wurde, beim Linderhof, dem Traumschlößchen des Bayerischen Märchenkönigs Ludwig II., in amerikanische Gefangenschaft. Und hat in der Folge die Lager aller Westalliierten "durchgemacht", war auch französischer und bitischer POW (Prisoner of War). Denn die Zuständigkeiten wechselten immer mal. Er überlebte das Lager
Bretzenheim bei Bad Kreuznach und flüchtete schließlich im Rheinland aus einem britischen Lager.
Denn er wollte nur noch eines: endlich wieder nachhause!
Eine Liebe in den Zeiten nach dem großen KriegDer Krieg war vorbei, aber die Not noch nicht zu Ende. Die Versorgung mit Lebensmitteln war in den Städten schlecht. So auch in Pirmasens. Sogenannte Hamsterfahrten führten die Städter aufs Land, um sich bei den Bauern mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Oft weit führten diese Fahrten. Und so kam mein Vater in den
Hunsrück, wo er meine Mutter kennenlernte.
Aus dem attraktiven jungen Ex-Offizier und der hübschen Bauerntochter wurde schnell ein Paar.
Und aus dem jungen Liebespaar dann 1951 ein Ehepaar, dem es vor zehn Jahren vergönnt war, seine Goldene Hochzeit zu feiern.
Die literarische Verarbeitung einer verlorenen JugendOskar (Oss) Kröher, wie auch sein Zwillingsbruder Heinrich (Hein, Heiner) Schulkamerad meines Vaters, schildert in seinem Buch "Ein Liederleben - Eine Jugend im Dritten Reich" eindringlich die Erlebnisse der Generation unserer Eltern. Mehr als lesenswert.
Zum zweiten Mal in einem WeltkriegJahrgang 1894. Schon das Inferno des Ersten Weltkrieges hat dieser Jahrgang erlebt. Und mit Glück überlebt. Dem Unteroffizier Dreher rettete bei Verdun der neue Stahlhelm das Leben, der die lederne preußische Pickelhaube mit feldgrauem Überzug gerade abgelöst hatte.
Und im doch schon etwas fortgeschrittenen Alter holte man ihn für den Frankreich-Feldzug erneut zu den Waffen. Und es sollte dabei auch keine Rolle spielen, daß dann bei Stalingrad der älteste seiner Söhne auf dem Weg zum Verbandsplatz vermißt wurde und sein Schicksal bis heute ungeklärt ist. Ein rücksichtloses, menschenverachtendes und verbrecherisches Regime stellte sie alle in seinen Dienst. Ob jung ob alt. Bis zum Untergang.
Bleibende TraumataMein Vater hat über seine Erlebnisse im Krieg nie viel gesprochen. Nur in Andeutungen. Auch über Bretzenheim nur, daß Mitgefangene zuhauf am Hunger und an Cholera verstarben. Dieser Generation hat auch noch niemand bei der Verarbeitung ihrer Kriegs-Traumata geholfen. Es hat ihn wenig begeistert, daß sein Sohn 1973 nach dem Abitur und der Einberufung zum Wehrdienst dann ausgerechnet
Offizier der Bundeswehr werden wollte (er selbst hatte 1955 bei der Wiederaufstellung deutscher Streitkräfte das Angebot der Einstellung im Dienstgrad Hauptmann ausgeschlagen).
Und heute? Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg sind wieder deutsche Soldaten im Einsatz, erbringen einen hohen Blutzoll und kehren
traumatisiert aus dem Einsatz zurück.
Sie, ihre Angehörigen und ihre Hinterbliebenen erfahren kaum mehr Beachtung und Zuwendung als die Generation unserer Väter und Großväter. Dieser Krieg heute ist weit weg.
Und deshalb mein Appell, gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, diejenigen in unsere Wünsche und Gebete einzuschließen, die das höchste Fest der Christenheit im gefährlichen Dienst am Hindukusch verbringen müssen (ja, Weihnachten ist nämlich entgegen der unsäglichen Werbe-Kampagne eines Elektronik-Großmarktes keine Veranstaltung, bei der der "Sieg" durch die Anzahl der Geschenke unterm Christbaum entschieden wird!).