Ich will nochmal so richtig knallhart auf das Thema "Microstock-Agenturen" zurückkommen. Und mal auch mit Zahlen und Fakten belegen, warum sie jedem, der mit der Fotografie Geld verdient, ein rotes Tuch sind. Ich versuche, dabei nicht allzu emotional zu sein, kann das aber unter Garantie nicht garantieren!
Ganz kurz auf einen Nenner gebracht: Sie sind existenzbedrohend. Sie graben freien Fotografen und kleinen Agenturen das Wasser ab. Und sie beuten auch diejenigen mit ihren Dumpingpreisen aus, die ihre Fotos dort anbieten. Microstocks sind die "Rückkehr des 19. Jahrhunderts mit anderen Mitteln".
Ich unterfüttere das mal mit Beispielen, ganz einfach aus dem Bereich meines eigenen kleinen Pressebüros (so einer von diesen Minis, wo's heißt: "Hier fotografiert, archiviert und verkauft der Chef!") mit ein paar wenigen freien Mitarbeitern (Profis und auch Semi-Profis und Amateure) auf Kommissionsbasis, die über meine Bilddatenbanksysteme (Mecom mit Einbindung in APIS) ihre Fotos anbieten.
Warum habe ich überhaupt Fremdmaterial im Angebot? Das ist relativ einfach. Weil du selbst alleine gar nicht alles abdecken kannst, was die Kunden von dir haben möchten. Und weil in einer größeren Gruppe, im Team, man einfach besser "anstänkern" kann gegen die Großen, die Bigplayer, die Global Player. Gegen die Nachrichtenagenturen, die wirklich großen Bildagenturen. Weil man so Nischen besetzen kann. Sachen im Angebot haben, das die Großen entweder gar nicht oder nicht so produzieren. So einfach ist das.
Damit dieses System funktioniert müssen aber ein paar Regeln gelten. Denn, wenn ich als "Kleiner" mit einem (zahlenmäßig) großen Angebot (30.000 Bilder, die das Pressebüro Roth auf Mecom hat, ist ein großes Angebot, damit spielt man schon in der Profi-Liga mit), dann entstehen erst mal auch Kosten. Denn Mecom ist keine Bildagentur. Mecom ist ein Portal, das mir gegen Bezahlung das Material hostet und den Bildkanal als Vertriebsweg für Push-Dienste anbietet. Ich will da einfach mal eine Größenordnung in den Raum stellen: Es geht um runde 1.000 Euro Betriebskosten pro Monat, die amortisiert sein wollen. Und ich "unterschlage" dabei mal alles andere, wie die Topixx-Datenbank die ich betreibe und meine beiden Websites, die auch nicht beim Billig-Provider sind, sondern Business-Systeme mit der Garantie größtmöglicher Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit. Und die auch einiges an Space fressen. So, aufgemerkt, und diese Kosten trage ich alleine. Das ist eben das Unternehmensrisiko einer fairen Agentur. Und das kann nur funktionieren, wenn das Bildmaterial, das im Angebot ist, auch zu halbwegs fairen Preisen über den Tisch des Hauses geht.
Das heißt, schlicht und ergreifend, es funktioniert nur mit dem klassischen Geschäftsmodell. Jede Verwendung wird immer honoriert. Die Preise dürfen nicht unter ein absolutes unteres Limit.
Rechenbeispiel: 4.000 Bilder etwa kosten mich pro Monat 100,-- Euro, also im Jahr 1.200,-- Euro. Wenn sich für mich also jemand mit dieser Anzahl von Bildern in meinen Systemen "rentieren" soll, dann müssen seine Bilder (und zwar abzüglich seines Honoraranteils) im Jahr auf jeden Fall mehr als 1.200,-- Euro "einfahren". In dieser Rechnung habe ich dann noch nicht mal drin, was es ja sonst noch so gibt: Werbung, Anzeige in VISUELL (mehr als 600,-- Euro pro Staffel), Telefonate, Kundenbesuche, und und und ...
Das kann alles funktionieren, wenn das ganze Team so funktioniert, das Ziel vor Augen zu haben, auch den Stock bestmöglich zu vermarkten, wenn jeder Einzelne das Ziel hat, bestmöglich das Material am Markt zu platzieren.
Und das geht saumäßig in die Hose, wenn dann Material, das im Stock ist, identisch auch bei Microstocks auftaucht. Und zwar in bester Auflösung, feinstretuschiert und ausgefleckt, geeignet für Doppelseiten, für alles mögliche. Nicht etwa nur in Web-Auflösung. Das wäre ja vielleicht noch wirklich ein "Nebengeschäft". Und dann sind es auch noch die im Urlaub geschossenen Bilder, die Reisefotografie, die sich ohnehin so schwer vermarkten lässt. Alle Sehenswürdigkeiten dieser Welt für einen Euro! Wie bitteschön soll eigentlich ein professioneller Reisefotograf da noch von seiner Arbeit leben können?
Da bringe ich auch mal ein Rechenbeispiel: Wir haben ja in großem Umfang etwa die
Bretagne in unserem Reiseangebot. Das sind summa summarum so in etwa 6.000 Fotos (mal nur meine eigenen gerechnet), die auch digitalisiert sind. Analog sind's noch wesentlich mehr. Dazu waren über mehrere Jahre, angefangen 1999, Reisen in die Region erforderlich. Und da entstehen erst mal wieder Kosten. Als wir anfingen, da war's ja noch (aufnahmetechnisch, jedenfalls bei mir) analog. Was heißt das? Das heißt, dass man rund 80 Kleinbildfilme im Gepäck hat, unterschiedliche Emulsionen, Dia und Color-Negativ, von Kodachrome 64 bis Fujicolor Professional 400. Zwei Kameragehäuse. Linsen von 17 mm bis 300 mm. Die Filme kosteten was, ihre Entwicklung auch. Es entstanden Reisekosten, für etwas mehr als eine Woche damals mehr als 6.000,-- Märker. Auch Fotografen müssen essen und trinken und übernachten! Eintrittsgelder bezahlen, Fotografiererlaubnisse erwerben ...
Und, da denkt keiner dran: da fallen auch Modellhonorare an! Wenn ich als Profi Leute fotografiere und will diese Bilder kommerziell verwenden, dann komme ich um Bezahlung kaum herum. Auch im Mutterland von Cartier-Breson oder Robert Doisneau ist street photography schon lange nicht mehr so ohne! Da fragt mich Mama schon, warum ich ihr süßes Baby am Strand mit dem 180-er knipse. "Ah, Madame, je suis reporter photograph, je fais ..." Jau, Leute, und dann kennt auch die ansonsten Fremdsprachen nicht unbedingt sehr zugeneigte Französin das Wort "Cash"!
"Ach, ihr Profis setzt doch sowieso alles von der Steuer ab!" höre ich jetzt. So? Und wenn dein zuständiges Finanzamt so stur ist, darauf zu beharren, dass du, getarnt als berufsbedingte Aufwendungen, eine schöne Urlaubsreise versuchst, dir vom Fiskus bezahlen zu lassen? Spätestens mit dem ablehnenden Bescheid zu deinem Einspruch ist es "over"! Denn dein Firmen-Rechtsschutz steht nur für dich ein, wenn du selbst verklagt wirst, nicht, wenn du dir von den Finanzbehörden dein Recht erstreiten willst! Du kneifst also den A... zusammen und sagst dir: "Na, gut, dann woll'mer ma schaug'n, dass wir in den nächsten zehn Jahren das wieder durch Veröffentlichungen reinholen." Na ja, rechne mal eher mit 20 Jahren! Und hoffe drauf, dass sich nicht allzuviel (so baulich gesehen und so) dort verändert, wo du Fotos geschossen hast. Weil, dann hast du veraltetes Material, für das sich kein Mensch mehr interessiert.
Aber du bist ja Profi. Und deswegen bist du auch clever. Und deswegen ergänzt du deinen Stock mit "Fremdmaterial", das dein eigenes Zeugs "abrundet" und ergänzt. Ein richtig schönes rundes Angebot hast du. Und das bewirbst du, machst Newsletter, Bilderdienste. Weil du denkst: Also, da, genau da, da dürften wir doch, was Klasse und Masse angeht, konkurrenzlos sein. Du stellst Angebote in der Datenbank zusammen (ist einiges an Aufwand, damit's auch schön passt). Und, und, und.
Und dann entdeckst du eines schönen Tages durch einen dummen Zufall das alles auch bei einem Microstock, nicht bei einer RF-Agentur (mein Gott, mit denen kann man gut leben, es gibt ja auch teures RF!). Und plötzlich ist dir klar, warum so einige deiner Kunden dich für einen ziemlichen Deppen halten, wenn du mal wieder die Werbetrommel für dein Reisearchiv rührst. Für einen ausgemachten Volltrottel, der offensichtlich nicht die leiseste Ahnung davon hat, wo einige seiner Fotografen überall das als so "toll" und "konkurrenzlos" gepriesene und von dir mit enormen Kosten gehostete Material verramschen!
Ehrlich, da könntest du dir wirklich in den A... beißen!
Weil, da kommst du dir echt ziemlich verarscht vor!
Und diese "Verramsch-Agenturen" ihrerseits, die zocken weiter die Leute ab, die sich - leider - nicht zu schade sind, sich so unter Wert zu verkaufen. Verhökern wirklich gutes Bildmaterial zu Schleuderpreisen. Machen durch ihre globale Präsenz ihrerseits satte Gewinne, verdrängen den "Mittelstand" und die "Kleinunternehmer" vom Markt. Leute, das ist kein "fair trade"! Das egalisiert das Bildgeschäft zum beliebigen Einheitsbrei. Wie willst du denn noch ein gutes und originelles Bild zu gutem Geld verkaufen, wenn es das gleich nebenan beim "billigen Jakob" im "Massen-Download-Abonnement" gibt? Wie willst du noch eine Reportage platzieren (ach so, die ist ja sowieso schon lange tot, sorry, ich bin halt so ein ewig Gestriger), wenn man sich die so richtig schön billig "zusammenklau(b)en" kann?
Zu guter Letzt:
Ein Appell an das Heer der Amateure (ich sage bewußt nicht "Hobby-Knipser"): anstatt euch abzocken zu lassen und den Leuten, die mit der Fotografie ihren Lebensunterhalt verdienen, die von ihren Honoraren ihre Miete bezahlen müssen, ihr Häuschen abbezahlen, ihre Familie und ihre Kinder ernähren, die Butter vom Brot zu nehmen, sucht euch eine vernünftige Agentur, meinetwegen auch eine RF. Macht nicht den Markt kaputt! Denn schlußendlich geht dann irgendwann auch für euch die Spirale steil nach unten!
Ich setze noch ein P.S. dazu:
Damit mal ein Eindruck entsteht, wie das wirklich ist im Geschäft, mit allen Höhen und Tiefen, die
Geschichte meiner Agentur.