Wer heute beschließt, mit der Fotografie seinen Lebensunterhalt zu verdienen, der ist gut beraten, sich diesen Schritt vorab noch mindestens dreimal ganz genau zu überlegen. Denn er läßt sich auf ein Geschäft ein, in dem die Konkurrenz noch nie so groß wie heute war. Der Markt ist mittlerweile überflutet von Bildern. Von guten Bildern. Und ihre Zahl wächst sozusagen im Bruchteil von Sekunden. Wer hier bestehen und Geld verdienen will (wohlgemerkt: wir reden hier vom Stock-Markt!), der muß sich klar von der Masse abheben. Tut er das nicht, so sollte er die Fotografie doch lieber als Hobby und ggf. als Nebenerwerb betrachten. Doch ist die Erkenntnis, sich abheben zu müssen, durchaus nicht ein Phänomen der Jetzt-Zeit. Dieses Prinzip galt schon immer. Nur war es in den "old times" leichter möglich, mit "Masse statt Klasse" auch finanziell erfolgreich zu bestehen. Zur Genüge gab es Fotografen und Agenturen, die Standard für gutes Geld anbieten konnten. Dieser Markt, und das muß man eindeutig konstatieren, ist heute fest in der Hand der Microstock-Agenturen.
Wer also Standard produziert, der wird, wohl oder übel, auf eben diese Agenturen angewiesen sein. Standard, was ist das eigentlich? Ich (aber nicht nur ich) definiere Standard als handwerklich saubere Fotografie, illustrativ, z.B. Texturen, allgemeine People-Fotos, Architektur, Reise, Natur. Fotografie eben, die ich in jedem x-beliebigem Zusammenhang verwenden kann, editoriell oder kommerziell. Es ist das gleiche Prinzip wie Footage im Video-Sektor. Drücke ich es mal auf die Spitze getrieben aus: beliebig austauschbar. Technisch perfekte Massenware eben.
Konstanz und neue Trends
Die plötzliche Rasanz der digitalen Entwicklung der Fotografie zu Beginn des neuen Milleniums hat viele von uns überrascht. Ich habe es in der Geschichte meiner Agentur beschrieben. Gleichwohl: die "neue Zeit" bietet auch ein weites Spektrum an Chancen und Möglichkeiten, die man so in den berühmten "good old times" nicht hatte. Hier verschafft die digitale Welt auch dem "Kleinen", dem "Einzelkämpfer" klare Vorteile.
Bildbearbeitung gehört heute mit zu den Aufgaben des Fotografen. Die klassische Rolle des Grafikers und des Layouters ist zu einem großen Maße auf den Fotografen übergegangen. Natürlich wird lieber gleich das fertige Composing genommen, anstatt es selbst aus verschiedenen (einzel zu honorierenden!) Einzelbildern zu erstellen.
Photoshop ist also kein Spielzeug für "Schrauber", sondern ein Werkzeug. Ein professionelles Werkzeug für den professionellen Fotografen.
Unsere Arbeit ist nicht mehr mit dem Druck auf den Auslöser erledigt. Nachdem wir korrekt Blende und Verschlußzeit und an der D-SLR den Weißabgleich eingestellt haben. Das Kriterium, das Bild sei dann gut, wenn es scharf und richtig belichtet sei und der Bildausschnitt stimme, ist längst obsolet.
Doch, und jetzt den "Schlenker" zurück, haben wir denn nicht alle vor dem Boom des Farbfotos, des Dias als nur noch gewünschter Druckvorlage, in der Dunkelkammer "geschraubt"? Abgewedelt, nachbelichtet, mit Papier-Gradationen gespielt? Um das perfekte Bild zu gestalten, das "andere" Bild?
Kein Bild ohne Captioning und Keywording
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Stimmt sicher. Aber es stimmt auch: ein Bild ohne tausend Worte ist kein Bild, sondern eine Archiv-Leiche. Und sei es noch so brandaktuell, so aussagestark und was weiß ich sonst noch alles.
Ungeliebt, lästig, dieser verdammte IPTC-Header, diese Beschriftung der Bilder, die Verschlagwortung. Ach, ich höre es allenthalben, das Jammern: "Ich bin doch Fotograf und kein Schriftsteller!"
Nun denn, wer diese Mühe scheut, dessen Bilder wird niemand finden. Jedenfalls nicht auf den vorderen Rängen der Bildportale. Wer glaubt, mit 10 bis 15 Schlagworten bei sehr gezielten Anfragen gefunden zu werden, der kann sich auch das "Schrauben" mit Photoshop gleich sparen. Wer nicht mindestens so viel Zeit darin investiert, eine vernünftige Caption zu erstellen und - auch mit assoziativen Begriffen - zu verschlagworten, der hat von vornherein verloren. Sein Stock-Material geht unter in der Bilderflut. Was, verdammt nochmal, sind denn "assoziative Begriffe"? Oft höre ich diese Frage. Ich will das mal festmachen an einem meiner erfolgreichsten Fotos, einer topless Sonnenbadenden auf der griechischen Insel Korfu.
Wem fallen hier spontan Begriffe ein wie Hormon, Hormone, Hormonhaushalt, Frauenleiden, Frauenkrankheiten, Brustkrebs, Krebsrisiko, Gebärmutter, Textilien, Sonnenexpoition, Dermatologie, Dermatologe, UVB-Strahlen (usw.)? Okay, das ist das Geheimnis, Begrifflichkeiten ausmachen, die das Foto illustrieren könnte.
Nicht nur Fotos aufnehmen, sondern Fotos sammeln
Die historische Kollektion mag ein weiteres Standbein im erfolgreichen Geschäft sein. Ich kenne einen Kollegen, der noch mehr als ich auch die Flohmärkte abgrast. Er ist immer auf der Suche nach historischen Postkarten. Und mit denen (will sagen mit den Repros davon) verdient er richtig gutes Geld. Denn allenthalben werden historische Ortsansichten gesucht. Um sie z.B. neuen Bildern gegenüberzustellen ("einst und jetzt"). Gut, dann auch noch das Bild vom Jetzt im Archiv zu haben.
Einst und jetzt, das sind auch die sozialen Gegebenheiten. Etwa die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Was könnte den Wandel im Rollenverständnis, die Emanzipation, besser illustrieren als das Foto meiner Großmutter mit meinem Vater auf dem Arm?
Die traditionelle Rolle der Frau im frühen 20. Jahrhundert, anno dazumal, damals, 1927, junge Mutter hält ihren Säugling auf dem Arm, Arbeiterin in der Schuhfabrik, Pirmasens, Pfalz, Schuhfabrikation, Arbeiterbewegung, Emanzipation, Frauenarbeit, soziale Lage, Soziales, Armut, Verelendung, industrielles Proletariat, Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Gewerkschaftsbewegung, Büchergilde Gutenberg, Erziehung, Bildung
Spezialisierungen als Erfolgsrezept
Es müssen nicht unbedingt Auto-Fotos oder Home and Garden sein, aber irgendein Spezialgebiet sollte man sich suchen. Und sich darin ausgiebig "tummeln" und vervollkommnen. Und keine Angst davor, daß es auch in Ihrem Spezialgebiet (oder Ihren Spezialgebieten) wahrscheinlich noch tausend andere Spezialisten gibt. Entwickeln Sie Ihre "Handschrift", Ihren Stil, und Sie werden für manchen Auftraggeber interessant sein. Weil Sie anders sind. Weil Sie Stil haben. Glauben Sie an sich! Das ist eines der Geheimnisse, auch in engen Märkten zu bestehen und Erfolg zu haben.
Oder:
Be an artist and be a businessman at same time. Create your own markets for your own and typical artwork. Train your skills for being unique, unrivaled and recognizable. Always be a dependable partner for your clients paying you good money. Always avoid doing small business for worthless small coins (remember: who's looking for dimes cannot earn bucks!). And therefore avoid being only a camera jockey!
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I am too smart
vor 1 Tag
Ach ja, "meine" Sonnenbadende von Korfu. Das ist übrigens eine waschechte Duchess. Welche, das bleibt aber mein "süßes Geheimnis". Habe ich aber erst erfahren, als ich mir die Adresse habe aufschreiben lassen, wo ich die Fotos hinschicken solle. Habe natürlich freundlich gefragt, ob ich sie fotografieren darf.
AntwortenLöschenAch, noch was: das Foto ist von 1985. Wird immer noch verwendet. Schöne Frauen "veralten" eben nicht. Sie werden nur schöner ...