Donnerstag, 12. Januar 2012

Der sog. demografische Wandel, das Totschlagargument einer kurzsichtigen Politik

Er schwebt wie ein Damokles-Schwert über uns: der demografische Wandel, die überalternde Gesellschaft. Dieses sperrige Schlagwort, dessen man sich so gerne bedient, wenn es darum geht, Argumente zu finden für die Rente mit 67, mit 70, oder was weiß ich.

So hat nun auch jüngst wieder nach einem Bericht des Handelsblatts Frank-Jürgen Weise, der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, für "eine politische Langfriststrategie, um Potenziale und Chancen älterer Menschen in der Gesellschaft zu verbessern" plädiert. "Dieser Wandel ist nach Weises Urteil nötig, um bei einem insgesamt schrumpfenden Arbeitskräfteangebot brachliegende Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt besser zu nutzen", schreibt das Blatt. Und weiter: "Das gelte, trotz bereits steigender Lebensarbeitszeiten, etwa für ältere Arbeitnehmer. Denn wer sich jenseits der 55 aus Arbeitslosigkeit auf eine neue Stelle bewerbe, habe bei Arbeitgebern nach wie vor fast keine Chance. Zugleich liege Deutschland bei der betrieblichen Weiterbildung für Ältere im unteren Drittel der europäischen Vergleichsskala. Weises Folgerung: Daran etwas zu ändern, ist nicht nur im direkten Interesse der Betroffenen – es reduziert auch den Ressourceneinsatz des Sozialstaats." Denn Weise sieht Kosten in Höhe von 70 Milliarden auf den Staat zukommen.

So weit, so gut.

Es ist eingestimmt in den vielstimmigen Chor, dem zum Beispiel ein Arbeitgeberpräsident Hundt Stimme verleiht, der in Wildbad Kreuth davon sprach, daß die Möglichkeiten der Beschäftigung Älterer noch sie gut wie in den letzten zehn Jahren gewesen seien, als Seehofer als Voraussetzung für die Rente mit 67 eine Verbesserung der katastrophalen Bedingungen am Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer einforderte.

Nein, nicht so weit, so gut. So weit, so schlecht.

Das ist nämlich das Pferd vom Schwanz aufgezäumt. In der üblichen kurzsichtigen Betrachtungsweise. Denn nicht die vielen Alten, die auch immer älter werden, sind das Problem, sondern die viel zu wenigen Kinder.

Es sind nicht die junggebliebenen Rentner, die Geld kosten und die man nun plötzlich auch zur Beseitugung des Mangels an Fachkräften wieder aktivieren will.

Was ist denn, wenn die heute "aktivierten" Alten nicht mehr sind? Mangels "junger Masse" wachsen ja gar keine Alten mehr nach! Denkt da eine(r) der Damen und Herren Sonntags- und Veranstaltungs-Redner mal dran? Oder denkt da jemand von den Damen und Herren aus den Redaktions-Stuben speziell der Wirtschaftspresse mal dran?

Man kann es nämlich noch 25.000 mal nachplappern und nachschreiben, es wird dennoch nicht richtiger. Es ist und bleibt nicht mehr und nicht weniger als Mainstream. Kurzsichtiger Mainstream, der Ursache und Wirkung verwechselt, der an den Symptomen rumlaboriert, anstatt die Ursachen zu erkennen und mit kreativen Ideen dort anzusetzen.

Das Problem der sogenannten "Überalterung" braucht den Gegenpol einer ausreichenden Zahl an Kindern. Und eine Abkehr von den "prekären" Beschäftigungen zu Dumping-Löhnen von denen niemand leben kann und dann als "Aufstocker" die öffentlichen Kassen zusätzlich belastet.

Das Erfordernis ist eine Familien- und Bildungs-Politik, die langfristig fördernd angelegt ist. Die jungen Paaren die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht. Die qualifizierten Nachwuchs ausbildet (was die deutsche Wirtschaft, die der Herr Hundt ja vertritt, allzu lange sträflich vernachlässigt hat). Wir brauchen nämlich nicht den Abbau von Stellen von Erziehern und Lehrern, wir brauchen keine überfüllten Hörsäle an den Universitäten und wir brauchen keine Ein-Euro-Jobs.

Dann stimmt's auch wieder bei den Einnahmen. Und man kann die Alten in Ruhe lassen. Die haben ihre Pflicht für das Gemeinwohl nämlich schon lange erfüllt!

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