Dienstag, 7. Juli 2009

Honorare - Legenden und Wirklichkeit

Bei Horst bin ich auf einen älteren Post gestoßen. Da geht es um Honorare und was man angeblich für Tagessätze erzielen kann. Horst hat sich da schon zur Genüge dazu geäußert und ich habe das auch kommentiert.

Ich möchte das aber mit einem kleinen Beispiel aus meinem eigenen Erfahrungsschatz belegen.

Samstag, 16. März 1991, 08:30 Uhr, Nürnberg:

Ich habe nix zu tun, freies Wochende, bin gerade aufgestanden und schlürfe "Tass Kaff". Rauche genüßlich eine Gauloise dazu.

Und dann schrillt das Telefon, daß es mich fast aus meinem gemütlichen Sessel haut.

Am andern Ende der Leitung die Bildredaktion des Stern.

Da war doch mal dieser schreckliche Nebel-Masenunfall auf der A9 in der Münchberger Senke, am 19.Oktober 1990, Massen-/Nebelunfall BAB A9 „Münchberger Senke“; 10 Tote, 83 Verletzte. Einer der schlimmsten Unfälle im deutschen Straßenverkehr. Siehe auch Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchberger_Senke

Über Nebelraser wollten die eine Titelstory machen und, sagt mir der Kollege, da hätte es gerade wieder im Nebel gekracht. Das bräuchten sie. Ob ich hinfahren und Fotos machen könne. Belichteten Film eintüten und per IC-Kurier nach Hamburg schicken. Muß spätestens Sonntagabend 18:00 Uhr in der Redaktion sein.

Klar kann ich!

Also Ende mit gemütlichem Kaffeetrinken in Unterhose im gemütlichen Sessel. Rein in die Klamotten, Ausrüstung geschnappt (hoffentlich sind auch noch genügend Diafilme in der Tasche!), rein ins Auto und die BAB 9 hoch Richtung Berlin gerast. Das war damals meine Reporter-Renngranate Honda CRX (siehe animated gif unten).

Hinter Bayreuth nehme ich langsam aber sicher den Fuß vom Gas. Ich kenne die Tücken des plötzlich auftretenden Nebels auf dem Streckenabschnitt, der jetzt kommt.

Aber da ist kein Nebel! Und da ist auch von einem Unfall nix mehr zu sehen!

Aber im Autoradio höre ich, daß es auf der A9 zwischen Hilpoltstein und Allersberg im Nebel massenhaft gekracht hat. Das ist südlich von Nürnberg, Richtung München. Also zurück aus Nordbayern. Vollgas bis Nürnberg. Volle Kanne, die vollen 210 km/h, die meine Rennsemmel hergibt.

Auch bei Allersberg ist kein Nebel mehr, aber der Riesenunfall auf der Fahrbahn aus Richtung München. Ich muß auf die andere Seite und dort ran. Ich kenne mich dort aus. Raus also die Ausfahrt und auf Feldwegen rangepirscht. Die staunen nicht schlecht, als da plötzlich ein Fotograf über die Wiese kommt, der zehn Meter weiter auf dem Schotterweg sein Auto geparkt hat. Ich komme zu "phantastischen" Fotos. Wer hier steht hat nur noch einen zerbeulten Schrotthaufen.

Zurück nach Nürnberg und ans Telefon. Erklärt, daß ich zwar nix aus der Münchberger Senke habe, aber von wo anders auf der A9.

Nein, es muß die Münchberger Senke sein!

Danach telefonieren sich zwei Leute die Finger und die Ohren wund. Der Redakteur in Hamburg und der Reporter in Nürnberg. Halten sich dazwischen ständig gegenseitig auf dem Laufenden. Versuchn, Bilder von dem Crash aufzutreiben. Irgendwo. Die Autobahnpolizei rückt nix raus. Die BILD hat nix, sucht selbst. Bei der Nürnberger dpa oder AP brauche ich gar nicht erst anzurufen. Die lachen sich höchstens kaputt.

Aber Profis sind zäh! Bei der Lokalausgabe in Pegnitz des Nordbayerischen Kuriers werden wir fündig. Einer ihrer Freien, ein Abiturient, der sich am Wochenende die berühmt-berüchtigten paar Kröten Taschengeld dazuverdient, war vor Ort. Der hat die Bilder gemacht. In SW. Macht aber nix. Und auch sein Herr Chefredakteur ist ganz stolz drauf, daß der Stern diese Bilder will. Aber die kriege ich erst morgen, wenn sie wissen, welche sie ins eigene Blatt nehmen.

Sonntagmorgen, sieben Uhr, bin ich wieder auf der A9 nach Norden.

Ich kriege nicht den ganzen Film. Ich schneide nach zähen Verhandlungen fünf Negative raus. Das ist die Ausbeute. Jetzt muß ich sozusagen der "Vor-Redakteur" sein, mir überlegen, welche Bilder die Hamburger Magazinredaktion wohl will.

Zurück in Nürnberg das ganze eintüten, zum Hauptbahnhof und zum IC-Kurier. Hier löhne ich erst mal 120 Mark. Aber das Material ist früh genug in Hamburg. Auch am richtigen vereinbarten Bahnhof, wo es der Kollege Bildredakteur persönlich abholt.

Unten das dann im Editorial abgedruckte Bild.

So, und jetzt zu den Honoraren. Insgesamt muß man sagen, das war ein teures Bild für den Stern, aber als Aufmacher im Editorial muß das sein.

Für meinen Job habe ich 600,-- DM gekriegt, plus die Auslagen für den IC-Kurier und meine Kilometer. Der glückliche "Youngster" hat zum ersten Mal in seinem Leben für ein Foto nicht fünfzehn (oder so in der Preisklasse), sondern 250,-- Mark gekriegt.

Meine sechshundert Märker waren damals vor 18 Jahren gutes Geld. Aber wie heute einer irgendwo schreiben kann, daß man 700 bis 800 Euro Tagessatz kriegen könne ....

10 Kommentare:

  1. ja franz, die typen die das schreiben ( 700 oder 800 euro tagessatz ) haben noch nie für stern, spiegel, focus, bunte usw. gearbeitet....das zahlt nämlich keiner !

    ich habe ihm gesagt er soll mir einfach mal seine abrechnung zeigen, dann glaube ichs .....ich warte heute noch.

    ich kenne auch genügend dpa oder ddp kollegen, da gibts nen tagessatz von 200 euronen....wenn du glück hast .

    horst

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  2. Jawoll! Und selbst diese ganz Großen zahlen dir das auch nur, wenn du auch wirklich das ablieferst, was sie brauchen. Und sie buchen dich auch nur, wenn sie wissen, daß du es abliefern wirst. Egal wie. Wenn sie wissen, daß du den Termin hälst. Ich hätte damals, wenn das Material nicht pünktlich auf dem Leuchtpult gelegen hätte und das Editorial ohne diesen Aufmacher geblieben wäre, ich hätte keinen Pfennig für mich reklamieren können. Der Stern hätte mir zwar was gezahlt, aber ich hätte nie wieder - oder jedenfalls nicht so schnell wieder - einen Auftrag gekriegt. Den "Starfotografen" mit diesen tollen Tagessätzen kann ich nur sagen: "Träumt weiter!"

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  3. ... ach, noch was hinterher: ich hatte damals den Ruf, "am Puls der Zeit" zu sein. Und auch die harten Sachen zu machen. Habe auch mal "Abschüsse" gemacht. Auch die echt knallharten. Wenn du mit quietschenden Reifen dann hinterher irgendwo abhaust, weil's sonst vielleicht was auf die Nuß gibt. Und wenn dann nachts um elf das Fax anspringt und dir 'ne Suchliste von der Bunten austickert, mit Termin am nächsten Tag um 10:00 Uhr vormittags, per Kurier, dann fluchst du leise und machst dich auf die Socken ...

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  4. franz...ich weiß nicht ob du schon mal mafiatypen oder menschenhändler bei gericht fotografiert hast, die dir mal so nebenbei eine todesdrohung zurufen.

    beim lg frankenthal wollte mir mal einer an die gurgel, da ging sofort der alarm an und alle türen wurden geschlossen, in 5 sekunden waren 20 justizangestellte mit ihren knarren auf dem flur.

    ich wurde schon angespukt, mein auto wurde zerkratzt,alle 4 reifen plattgestochen usw. usw........trozdem liebe ich diese arbeit !

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  5. Nö, eher so korrupte Politiker mit dubiosen Nebengeschäften, Finanzjongleure und Bestecher. Die und ihr "Werkschutz" sind auch eher "nur" handgreiflich. Aber eher, um dir die Kamera abzunehmen. Bevor sie dir ihre Anwälte auf den Hals hetzen. In einer richtig gefährlichen Situation war ich mal in Frankreich. Da war ich über eine Stunde lang "verschwunden" und führte ein nettes "Gespräch" (ich bewundere einfach mein exzellentes und akzentfreies Französisch, ich kann nämlich die übelsten Flüche abdrücken) mit zwei "freundlichen" Herren. Wie man weiß, bin ich wieder "aufgetaucht".

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  6. >>> ist doch ein herrliches leben ;) <<<

    Wenn man Euer WM-Video so anguckt, dann könnte man es fast glauben. Die grüne Kappe übrigens ist echt rattenscharf! Da guckt jedes "Abschuß-Opfer" hin und macht "Smile!".

    "SMILE PLEASE" steht auch, anstatt "Nikon", auf einem meiner alten Hobel (die F2 rechts oben). Schaut wirklich jede(r) hin und versucht's zu lesen. ;-))

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  7. ...wirklich jede (mein Beitrag zu "Her mit den kleinen Engländerinnen"). Das sind halt die angenehmen Seiten des Fotografendaseins. Adressentausch, Zusage, ein paar Abzüge zu schicken (auch gemacht)und die kleine Engländerin posiert gerne ("Oh, I didn't modelling any time before!").

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  8. hier ist so eine legende......
    http://www.fotografr.de/foto-business/auftragskalkulation-fur-fotografen/

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  9. Ich hab' mich da ja geräuspert. Theoretisch hat er ja recht ...

    Aber das lesen auch - siehe in den Kommentaren - junge Kollegen. Denen wird doch der Spaß am Beruf vermiest, wenn sie dann merken, wie weit hier Theorie und Praxis auseinanderklaffen.

    Da macht dann so ein frischgebackener Diplom-Fotodesigner, bis dahin nur an der Hochschule, seinen Betrieb auf, egal, ob Werbung oder Editorial, und wundert sich.

    In der "guten alten Zeit" wurden zumindest nur die Hobby-Fotografen verarscht, wenn Color Foto (oder wie die Postillen alle hießen und heißen - heute sind'se die Megapixel-Fetischisten!) immer drüber schrieben, was ein Jacques Schuhmacher, Helmut Newton oder Peter Fürst für eine Kohle machen. Oder über das aufregende und ungebundene Leben und Arbeiten von Größen des Bildjournalismus, wie Thomas Höpker oder Henri Cartier-Bresson, schwafelten.

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